Pressemitteilung
"Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten"
Auf Einladung der ÖDP Mainburg: Christian Artner-Schedler von pax christi Augsburg referierte über deutsche Waffenexporte
Am vergangenen Montagabend sprach der seit 31 Jahren als Referent für Friedensarbeit bei pax christi Augsburg tätige Diplomtheologe Christian Artner-Schedler auf Einladung des ÖDP-Ortsverbandes Mainburg zum Thema "Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten". Die 25 Gäste im Seidl-Bräu, die zu dem Vortrag, der in Kooperation mit der Mainburger evangelischen Kirche und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Mainburg abgehalten wurde, gekommen waren, erhielten erschreckende Zahlen und Fakten präsentiert, was den deutschen Anteil an den todbringenden Waffengeschäften betrifft. So stirbt rein rechnerisch "terre des hommes" zufolge alle 14 Minuten ein Mensch auf der Welt durch eine deutsche Kleinwaffe.
Christian Artner-Schedler stellt zu Beginn seiner Ausführungen das Bündnis "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" vor, das im Jahr 2011 gegründet wurde. 16 Organisationen, darunter solch namhafte wie beispielsweise Misereor, Brot für die Welt, das Kinderhilfswerk "terre des hommes", die Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNV) oder pax christi gehören zum engeren Trägerkreis des Bündnisses, das sich zum Ziel gesetzt hat, Druck gegen die Verantwortlichen der Waffenexporte aufzubauen, Alternativen zur Waffenproduktion vorzustellen, mehr Transparenz bei der Genehmigung von Waffenexporten zu schaffen und letztendlich die Aufnahme eines grundsätzlichen Exportverbots von Waffen und Rüstungsgütern ins Grundgesetz zu erreichen. Obwohl in Artikel 26 des Grundgesetzes festgeschrieben ist, dass "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, (...) verfassungswidrig sind", hat sich die Bundesregierung nur einige unverbindliche Grundsätze gegeben. Fakt ist, dass die Bundesrepublik Deutschland unter anderem in 62 Ländern der Welt Waffen liefert, in denen nach Einschätzung des "Bonn International Center for Conversion (BICC)" die Menschenrechtssituation sehr bedenklich ist. Im Spannungsgebiet "Naher und Mittlerer Osten" erfolgte im Zeitraum von 2013 bis 2017 eine Verdoppelung der deutschen Waffenlieferungen gegenüber dem Fünf-Jahres-Zeitraum davor. Größte Abnehmer sind hier Algerien, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Israel und Ägypten.
Offiziell betrugen im Jahr 2017 die Einzelausfuhrgenehmigungen für Waffenlieferungen 6,24 Milliarden Euro. Dies sind nur die von staatlichen Stellen erfasste Ausfuhr von als "Kriegswaffen" aufgeführten Gütern. Das Volumen des realen Exports der weitaus umfangreicheren Rüstungstransfers, der sogenannten "sonstigen Rüstungsgüter", bleibt unbekannt. Lediglich 46% der 6,24 Mrd. Euro gingen an die EU und NATO-Staaten. Artner-Schedler erläuterte dazu: "650 Millionen Euro werden für eine Kampfschifffregatte ausgegeben. Mit diesem Betrag könnte man 9 Jahre lang den Schulbesuch von 9 Millionen Kindern in Afghanistan bezahlen." Deutschland steht damit seit Jahren unter dem Top 5-Ländern der größten Rüstungsexporteure weltweit. Die größten Rüstungskonzerne hierzulande sind Rheinmetall, Krauss Maffei-Wegmann, Thyssen Krupp, Diehl und Airbus.
Die Folgen des Waffenexports sind schwerwiegend. Ressourcen werden gebunden und bestehende Konflikte massiv verstärkt mit Toten, Verwundeten, Traumatisierten und Vertriebenen. Derzeit sind ca. 65 Millionen auf der Flucht, fast 90% davon werden außerhalb der westlichen Industriestaaten aufgenommen, nämlich in der Türkei, Pakistan, Libanon, Jordanien, Iran und Äthiopien. "Eine wichtige Fluchtursache ist neben einer neoliberalen Wirtschaftspolitik, diktatorischen Regimen, Terrorismus, Nahrungsmangel und Klimawandel, auch der ethisch nicht zu verantwortende Waffenexport", so Artner-Schedler. Er rief dazu auf mitzuhelfen und das zarte Pflänzchen „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ gemeinsam bundesweit und regional zum Blühen zu bringen. Informationen findet man dazu auf www.aufschrei-waffenhandel.de . Als bisher bedeutendsten Teilerfolg nannte Artner-Schedler, dass es endlich nach 8 Jahren intensiver Arbeit gelungen sei, den deutschen Kleinwaffenhersteller Heckler und Koch vor Gericht zu bringen. Der Prozeß, der weltweit Beachtung findet, begann vergangenen Mittwoch Artner-Schedler zufolge mit guten Aussichten, was die tatsächliche Verurteilung der Verantwortlichen dieser deutschen Rüstungsfirma angeht.
ÖDP-Ortsvorsitzender Bernd Wimmer bedankte sich bei Herrn Artner-Schedler und wies darauf hin, dass die hiesige ÖDP bereits Ende 2016 einen offenen Brief an den örtlichen Bundestagsabgeordneten Florian Oßner (CSU) bezüglich deutscher Waffenexporte verfasst hat. Bis heute hat man keine Antwort bekommen. Ein Jahr später schrieb die ÖDP Mainburg erneut einen offenen Brief in dieser Angelegenheit an den Bundestagsabgeordneten des Stimmkreises Kelheim/Landshut, diesmal unterzeichnet vom Mainburger evangelischen Pfarrer Frank Möwes und den Vorsitzenden der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Wilhelm Gößl aus Mainburg. Nach einem Monat erhielt man diesmal eine Antwort, die aber alle Unterzeichner als unbefriedigend einstuften. Herr Oßner ging nicht im Detail auf die Fragestellung der Verfasser ein, sondern zitierte unter anderem die allgemeinen Grundsätze der Bundesregierung zu Waffenexportgeschäften. Bernd Wimmer erklärte, dass die Genehmigung von Waffenexporten ein politisches Problem sei, das die Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten haben. Leider sei kein Umdenken erkennbar, was auch daran liege, dass Waffenlobbyisten zu viel Einfluß hätten und Konzern- und Firmenspenden in Deutschland an Parteien erlaubt sind.
"Deutschland ist von der EU, namentlich vom Europarat Anfang diesen Jahres gerügt worden, dass die staatliche Parteienfinanzierung hierzulande viel zu intransparent ist und Großspenden an Parteien erst ab 50.000 Euro offen gelegt werden müssen. Die ÖDP nimmt satzungsgemäß seit jeher keinen Cent Firmenspenden", betont Wimmer. Auch das Argument, dass Arbeitsplätze verloren gingen bei einem Stopp der Waffenexporte, ließ Wimmer nicht gelten: "Es hängen ca. 80.000 Arbeitsplätze, das sind 0,28% der gesamten Arbeitnehmer, bundesweit an den Rüstungsexportgeschäften. Die Gewinnspanne der deutschen Rüstungsfirmen für ihre Vorstände und Manager ist jedoch enorm hoch auf Kosten von Menschenleben weltweit. Wir von der ÖDP Mainburg fordern aus ethischen Gründen endlich ein Umdenken und Umhandeln, was deutsche Waffenexporte anbelangt."