Pressemitteilung
Freier Handel, aber unfreie Menschen – geplantes Freihandelsabkommen gefährdet Landwirte und Verbraucher / AbL-Chef Josef Schmid sprach bei ÖDP-Wahlveranstaltung in Aiglsbach
Pressemitteilung des ÖDP-Ortsverbandes Mainburg
Einen interessanten Abend verpasst haben all jene, die sich am vergangenen Freitag nicht zum Gasthaus Hillerbrand in Aiglsbach aufgemacht haben. Josef Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Bayern, referierte auf Einladung des ÖDP Ortsverbands Mainburg unter anderem über das Freihandelsabkommen, das derzeit zwischen den USA und der EU verhandelt wird.
ÖDP-Ortsvorsitzender, sowie Stadtrats- und Kreistagskandidat Bernd Wimmer zeigte zunächst kurz das Profil und die Erfolge der ÖDP auf. Zur ÖDP sollte man Wimmer zufolge mindestens drei Zahlen parat haben: 1982 gegründet, rund 6000 Mitglieder und über 400 kommunale Mandate, die meisten davon in Bayern. Die ÖDP habe mehrere Alleinstellungsmerkmale: erstens nehme sie als einzige Partei hierzulande keine Firmen- und Konzernspenden an und könne somit Politik für das Allgemeinwohl und nicht für ein einige große Konzerne machen. Außerdem sei die ÖDP die einzige Partei, die Konzepte entwickelt habe, wie eine Wirtschaft ohne den Zwang zu ständigem Wachstum funktionieren könne: die sogenannte Postwachstumsökonomie. Und drittens sei die ÖDP einzigartig in der Kombination der Politikfelder „Ökologie“, „Familie“ und „direkte Demokratie/Transparenz“. Als wichtigste Erfolge der ÖDP in Bayern zählte Wimmer unter anderem auf: Senat abgeschafft, Nichtraucherschutz durchgesetzt, 5 Atomstandorte in Bayern verhindert und der erfolgreiche Widerstand gegen Gentechnikanbau, sowie gegen die Olympischen Spiele in München und Umgebung. Schließlich stellte er die weiteren Kreistagskandidaten aus dem südlichen Landkreis vor, wo man mit 15 Bewerbern auf der ÖDP-Liste sehr gut repräsentiert sei.
Die Spitzenkandidatin für den Mainburger Stadtrat, Annette Setzensack, bezeichnete anschließend in ihren einleitenden Worten den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft als ein Thema, das sie persönlich sehr bewege. Dass zugelassen werde, wie die Bauernhöfe in der Region seit Jahrzehnten langsam wegsterben, bezeichnete die dreifache Mutter, die sich auf Platz 3 für den Kreistag bewirbt, als Frevel und politisches Versagen. Von vielen „selbsternannten Speerspitzen der Landwirtschaft“ in der Politik werde vollmundig behauptet, Politik im Sinne der bäuerlichen Betriebe zu machen, das Höfesterben werde aber als unvermeidbarer Strukturwandel stillschweigend akzeptiert. Mehr Engagement für die kleinstrukturierte Landwirtschaft könne man auch vom Bauernverband erwarten, der aufgrund seiner Strukturen und Mittel sehr viel mehr bewirken müsse, zum Beispiel bei der regionalen Absatzförderung. Der ÖDP Ortsverband unterstütze bereits seit Jahren konkret die Landwirtschaft vor Ort, in dem man sehr erfolgreich einen Einkaufsführer mit Direktvermarktern aus der Hallertau aufgelegt habe. Seit 2011 veranstalten die Mainburger ÖDPler auch einen rein regionalen Bauernmarkt. Die kleinteilige Landwirtschaft in Bayern könne nur überleben, wenn man dem „Wachse oder weiche“ ein klares „Qualität statt Quantität“ entgegensetze. Die ÖDP fordere eine Wende hin zu einer regional orientierten Landwirtschaft mit stärkerer Förderung der ökologischen und extensiven Bewirtschaftung. Der industriellen Tierhaltung und Schlachtung erteilte die 39jährige Bankbetriebswirtin eine Absage. Exportsubventionen müssten komplett abgeschafft und der weltweite Freihandel für regional erzeugbare Nahrungsmittel nicht ausgeweitet, sondern eingeschränkt werden. Nur so und durch eine verbesserte Kennzeichnung der Lebensmittel könnten vor Ort langfristig existenzsichernde und faire Preise erzielt werden – denn viele Verbraucher seien durchaus qualitätsbewusst, wenn sie beim Einkauf klar unterscheiden könnten.
Vor dem AbL-Vortrag stellte zudem ÖDP-Kreistagskandidat Erwin Betzenbichler aus Aiglsbach seinen Bio-Betrieb vor. Er bewirtschaftet unter anderem eine Streuobstwiese mit ca. 180 Obstbäumen, die von insgesamt 10 eigenen Bienenvölkern bestäubt werden. Seine Produkte, wie Honig, Eier, Obst und Gemüse, sogar Kiwis aus eigenem Anbau vermarktet er in seinem Hofladen und als Schulfruchtlieferant an die Grundschulen in der Umgebung.
AbL-Chef Schmid erläuterte zunächst die Ziele der Arbeitsgemeinschaft, die zusammen mit anderen Organisationen für eine sozial gerechte, bäuerliche und umweltschonende Landwirtschaft eintrete. Er erteilte dem ständigen Ruf nach mehr Wachstum in der Landwirtschaft ebenfalls eine Absage. Der landwirtschaftliche Grund sei eben nicht beliebig vermehrbar und der Zukauf von Futtermitteln etwa aus Übersee sei für die Bauern riskant und mache sie abhängig. Die Tierhaltung müsse zur Fläche passen, da es sonst zu massiven Umweltfolgen, wie durch Gülle, und dem Akzeptanzverlust der Bauern bei den Verbrauchern komme. Hier dürfe man aber nicht den Landwirten die Schuld geben, sondern müsse in der Politik ansetzen. Das Freihandelsabkommen mit den USA, das nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit von der nicht demokratisch legitimierten EU-Kommission verhandelt wird, bezeichnete Schmid als massiven Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Es schaffe freien Handel, aber unfreie Menschen. Die Geheimhaltung der Verhandlungen mache das geplante Abkommen per se verdächtig. Die geplante Abschaffung von Zöllen sei gar nicht notwendig, da sie kein wirkliches Handelshemmnis darstellten und der Handel mit den USA bereits jetzt floriere. Die Wirtschaft werde laut Schätzungen nur um 0,06% wachsen, profitieren würde dabei der Handel durch eigentlich überflüssige Warentransporte zwischen gesättigten Märkten. Verlierer seien die kleinen Betriebe, Gewinner die großen Konzerne. Es sei zu erwarten, dass mit Gentechnik und Hormoneinsatz produziertes Fleisch, andere gentechnisch veränderte Lebensmittel, Futtermittel und Saatgut verstärkt zu uns importiert werden. Wegen oft katastrophaler hygienischer Bedingungen werde Geflügel in den USA zudem meist gechlort. Die bäuerliche Landwirtschaft bei uns sei durch diese Billigkonkurrenz enorm gefährdet. Ein Grund sei, dass der Verbraucher durch fehlende Kennzeichnungspflichten, die von den beteiligten Weltkonzernen als „Handelshemmnisse“ abgelehnt werden, die unterschiedlichen Qualitätsstufen nicht erkennen könne und sich somit meist nur am Preis orientiere. Auch ist zu erwarten, dass die Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder der Trinkwasserversorgung weiter forciert werde. Der Verbraucher-, Umwelt-, Datenschutz und unsere Arbeitnehmerrechte seien in Gefahr. Ein Skandal sei, dass etwa Konzerne künftig gegen den Staat auf Schadensersatz klagen könnten, wenn die EU-Gesetzgebung, etwa zur Gentechnik, zur Gewinnschmälerung führe. Außerdem sollen internationale, von Industrievertretern besetzte Schiedsgerichte eingeführt werden, die im Geheimen und ohne Möglichkeit der Berufung verhandeln. Das geplante Abkommen, genannt „Transatlantic Trade and Investment Partnership/TTIP“ führe zum weiteren Verlust biologischer Vielfalt, dem Abbau hart erkämpfter Standards wie der Gentechnik-Nulltoleranz, sowie der Patentierung aller natürlicher Lebensgrundlagen. Es schaffe größtmögliche Freiheiten und Gewinne für wenige Weltkonzerne, wobei Schäden auf die Allgemeinheit abgewälzt würden. Die AbL kämpfe daher vehement gegen das Freihandelsabkommen. Schmid rief dazu auf, durch Unterschrift bei einschlägigen Protestaktionen die Ablehnung des Freihandelsabkommens zu dokumentieren und auch bei den kommenden Wahlen entsprechend Zeichen zu setzen. Ein Skandal sei beispielsweise die kürzliche Enthaltung von Agrarminister Friedrich (CSU) im EU-Rat zur Zulassung des Genmais 1507, was laut Schmid an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten sei, wenn die CSU in Bayern für Gentechnikfreiheit eintrete. Schmid, der selbst einen Bio-Bauernhof bewirtschaftet, stellte den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft in den Vordergrund und ermahnte die Landwirte zum Zusammenhalt, unabhängig von der Bewirtschaftungsweise oder der Spezialisierung der Betriebe.
Im Anschluss an den Vortrag entspannte sich eine angeregte Diskussion mit den Gästen der Wahlversammlung der ÖDP Mainburg zu verschiedenen Themen, wie den unterschiedlichen Bio-Siegeln und der Kontrollpflichten beim Bioanbau, der Gefahr für die Imker durch Gen-Maisanbau, zur oft finanziell schwierigen Situation von Familien mit nur einem Einkommen sowie zur aktuellen Diskussion über die Notwendigkeit von Stromversorgungstrassen durch die Republik.