Pressemitteilung
"Ein System siegt sich zu Tode"
Grundsatzreferat der ÖDP-Bundesvorsitzenden Schimmer-Göresz bei ihrem Besuch in Mainburg
Topaktuelle einleitende Worte zum Vortrag von Gabi Schimmer Göresz gab es vom ÖDP-Fraktionssprecher im Kreistag Kelheim und Verbraucherschutzreferenten des Marktes Langquaid, Peter-Michael Schmalz. Er berichtete von der Debatte zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP im Europaparlament. Im Rahmen dieser Debatte habe sich gezeigt, dass CDU/CSU mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber aus Wildenberg und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sich meilenweit von den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger und auch Teilen ihrer eigenen Parteibasis entfernt haben. Landauf landab regt sich massiver Widerstand gegen das Verhalten der Parteioberen, die in Sachen TTIP offensichtlich das Lied des Großkapitals und der Großkonzerne pfeifen. Wenn sich deutschlandweit nicht nur alle kommunalen Spitzenorganisationen (Städtetag, Landkreistag usw.) sehr kritisch gegenüber diesen "sogenannten Freihandelsabkommen" äußern, viele Kommunen wie im Landkreis z. B. die Stadt Mainburg und der Markt Langquaid und deutschlandweit sogar auch kirchliche Organisationen wie die Katholische Arbeitnehmerbewegung diese Abkommen TTIP, CETA und TISA als Einfallstor für flächenhaftes Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzdumping sehen, dann wäre es höchste Eisenbahn, dass die Parteigranden wieder auf den Kurs der Bürgerinteressen zurückgeholt werden.
Bernd Wimmer, Vorsitzender der Mainburger ÖDP, stellte die im November 2014 gewählte Bundesvorsitzende seiner Partei, Gabriela Schimmer-Göresz, vor. Die gebürtige Memmingerin ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Bereits 1986 trat sie in die ÖDP ein und hatte von Anfang an Vorstandsämter auf lokaler, Bezirks- und Landesebene inne. 12 Jahre bis Frühjahr 2014 war sie Vorsitzende einer großen Bürgerinitiative "Bürger gegen Fluglärm" e.V. zur Verhinderung des Regionalflughafens in Memmingerberg, genannt Allgäu-Airport. Heute lebt sie im südlichen Landkreis Neu-Ulm, wo sie sich einen Kindheitstraum erfüllt hat mit einem nahezu autarken Leben auf dem Land mit großem Garten und hoher Selbstversorgung.
Wimmer gab seiner Freude Ausdruck, dass Gabi Schimmer-Göresz seiner Einladung nach Mainburg gefolgt sei. Mit örtlichen ÖDPlern besichtigte sie die "Alte Fabrik" der Fa. Pinsker (die Hallertauer Zeitung berichtete in der Samstagsausgabe). Anschliessend hielt sie ein Grundsatzreferat namens "Ein System siegt sich zu Tode" über allgemeine Fehlentwicklungen der großen Politik und der Demokratie insgesamt mit vielen Ideen für Lösungsmöglichkeiten. Wimmer wies darauf hin, dass die ÖDP im Kreis Kelheim neben zahlreichen lokalen Angelegenheiten auch in den großen Fragestellungen für die Menschen aktiv sei, z.B. was die sogenannten "Freihandelsabkommen" betreffe. So hat, jeweils auf Initiative örtlicher ÖDP-Mandatsträger, der Marktgemeinderat Langquaid und der Mainburger Stadtrat Resolutionen gegen TTIP und co. verabschiedet, wie soviele andere Kommunen hierzulande auch. Durch Teilnahme an Demonstrationen gegen TTIP wie kürzlich in München mit rund 20.000 Teilnehmern oder in Fürstenberg, Landkreis Passau, will der Mainburger Ortsverband die altbekannte Reissnagelfunktion der ÖDP mit Leben füllen. Wimmer erklärte, dass die Regierenden immer den Druck vom Volk zwischen den Wahlen bräuchten, auch via ausdrücklich grundgesetzlich garantierter Versammlungsfreiheit oder ebenso durch mittlerweile über zwei Millionen Unterschriften europaweit gegen TTIP und CETA, wozu auch Mainburger Bürger eindrucksvoll ihren Beitrag geleistet hätten. Bernd Wimmer forderte dazu auf von diesen demokratischen Freiheiten Gebrauch zu machen, sich einzumischen, denn nur dann sei Demokratie lebendig und lokal wie überregional vernünftig gestaltbar. Auf diese Weise müssten eklatante Fehler wie beispielsweise mindestens die dubiose Schiedsgerichte ISDS in TTIP und die Aushöhlung der Demokratie durch Konzernhörigkeit der Regierenden zum Nachteil des Gemeinwohls in diesen Abkommen unbedingt verhindert werden.
„Uns geht es doch gut.“ „Uns ist es noch nie so gut gegangen.“ „Ich bin völlig unpolitisch.“ „Für mich wird’s schon noch reichen.“ „Da kann man doch eh nichts machen.“ „Die machen doch eh alle was sie wollen.“ So begann Schimmer-Göresz Ihren Vortrag. Ausgehend hiervon betrachtete sie einige Fakten entlang von vier wichtigen Punkten.
1. Demokratie: diese sei ein hohes Gut, für das Menschen ihr Leben einsetzen, eine hart erkämpfte, leider zunehmend vernachlässigte Errungenschaft. Mit allergrößter Sorge nehmen wir die Aushöhlung unserer Demokratie wahr. Der Britische Politikwissenschaftler Colin Crouch hat bereits 2004 ein Phänomen beschrieben, die „Postdemokratie“. Dies sei eine Gesellschaftsform, in der eine technokratische Kaste aus Wirtschaft, Politik und Medien bestimme, was dem Gemeinwohl, also uns allen, zuträglich sei. Politik verkomme zum öffentlichen Spektakel, während wichtige Entscheidungen unbeobachtet von der Öffentlichkeit zwischen den Eliten aus Politik und Wirtschaft ausgehandelt würden oder Regierungen in vorauseilendem Gehorsam den Unternehmensinteressen folgten. An den derzeit kontrovers diskutierten Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA werde dies geradezu augenfällig. Der Wähler nähme sich die Politik als Vorbild: "Wenn Politik kurzfristig denkt, darf ich das auch". Oft genug sei zu hören: "da blickt doch keiner mehr durch" und es herrsche der Wunsch nach Reduktion und Vereinfachung. Fast zwei Drittel der Deutschen hielten Politik heute für undurchsichtig und intransparent. Deshalb forderte Schimmer-Göresz vehement die Einführung von Volksentscheiden. "Hat Bayern durch die ÖDP-Volksbegehren „Abschaffung des Senats“ und „Konsequenter Nichtraucherschutz“ Schaden genommen?" fragte sie. Die Verkleinerung des Landtags, die Streichung reservierter Atomkraftwerksstandorte aus dem Landesentwicklungsplan sei allein durch die Ankündigung eines ÖDP-Volksbegehrens gelungen. Geld wurde gespart und Leben gerettet durch die Weitsicht der Wähler, während in der repräsentativen Demokratie, oft genug vom Rechnungshof kritisiert, Steuergeld mit vollen Händen verschwendet werde. Bei Einführung der Bürgerbegehren 1993 wurde Chaos vorhergesagt. 2013, 20 Jahre später, wurden so viele Bürgerbegehren wie nie zuvor initiiert (365, also quasi täglich eines) und die Kommunen blieben handlungsfähig.
2. Wirtschaftswachstum: zum Demokratieverfall geselle sich eine wirtschaftliche Kurzsichtigkeit, die tödlich sei. Alles ordne sich dem Diktat von Wirtschaftswachstum unter, dabei erweise sich die Wachstumsideologie längst als Lebenslüge. Niko Paech, einer der bedeutendsten deutschen Wachstumskritiker, bringe es auf den Punkt: „Wer heute noch Wachstum propagiert, muss an nicht weniger als zwei Entkoppelungswunder glauben, nämlich hinsichtlich knapper Ressourcen und ökologischer Schäden.“ Ein gutes Leben für alle sei möglich und es sei bitter nötig, wenn wir die Verelendung, die Armut, den Hunger und das Sterben vor unserer Haustüre wirklich beenden wollen, so Gabriela Schimmer-Göresz.
3. Energie/Ressourcen: Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung stehe: „Die Energiewende ist ein richtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg in eine Industriegesellschaft, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet ist.“ Abgesehen davon, das uns laut Dennis Meadows 40 Jahre nach „Den Grenzen des Wachstums“ der Weg der Nachhaltigkeit längst verbaut ist und nur mehr ein Ende des Wachstums helfen kann, hält Schimmer-Göresz den Hinweis auf die Bewahrung der Schöpfung aus dem Mund dieser Bundesregierung geradezu für zynisch. Das erkläre sich am besten aus den Äußerungen von Hannelore Kraft, SPD, Ministerpräsidentin von NRW. Sie mache sich für die dort ansässige Industrie, vor allem für Kohle, stark und betont, dass wirtschaftliche Interessen und Arbeitsplätze Vorrang haben vor der Umwelt. Weiterhin sei unter dem Druck und durch mehrere Großspenden von Autofirmen die Einführung der Begrenzung des CO2-Ausstoßes von Neuwagen auf 95 Gramm Kohlendioxid bis 2021 verschoben worden. Auch Wirtschaftsminister Gabriel rudere bei der Klimaabgabe unter dem Druck der Gewerkschaften bereits zurück. Die Rückwärtsrolle in der Umweltpolitik, wie bei der Energiewende sei ein Armutszeugnis für diese Bundesregierung. Wir müssten rein in eine intelligente Besteuerung, d.h. mit Steuern steuern. Friedrich Schmidt-Bleek, der Gründer des Wuppertal-Institutes mache in seinem Buch „Grüne Lügen“ Vorschläge. Es seien nicht nur technische Innovationen nötig, sondern vor allem politische Anreize und Einstellungsänderungen bei den Nutzern erforderlich. Für die Ressourcenwende sei eine grundlegende Änderung des Steuer- und Abgabensystems erforderlich. Der Faktor „menschliche Arbeit“ müsse deutlich entlastet werden. Der Einsatz von natürlichen Ressourcen und das Kapital solle hingegen die Hauptlast an Steuern und Abgaben tragen. Schimmer-Göresz: "Steuerreform für Arbeit und Umwelt heißt das im Bundespolitischen Programm der ÖDP seit vielen Jahren, zuletzt durch Ernst Ulrich von Weizsäcker bestätigt."
4. Bindung und Bildung: Die Burnout-Raten steigen. Mutter und Vater, alle in die Produktion und alles werde der Wirtschaft untergeordnet. Ein Arbeitsplatz reiche nicht mehr aus. Mehrere Jobs liessen keine Zeit für Kinder und wenn wir doch Kinder hätten, dann sei die Entwicklung von Bindungssicherheit extrem gestört. Wir sollten Schimmer-Göresz zufolge daher alles tun, schon in den frühen Jahren und später beim Durchlaufen der verschiedenen Bildungswege Persönlichkeiten zu bilden, ganzheitliche und kritische Menschen, empathiefähig, angstfrei und eigenverantwortlich, zukunftstauglich. Auf jeden Fall das Gegenteil von gleichgeschalteten und mainstreamtauglichen Arbeitsbienen. Familienpolitik, wie auch die Bildungspolitik sei heute zu einer Unterabteilung der Wirtschaftspolitik verkommen. Daher forderte Schimmer-Göresz die Einführung des ÖDP-Konzepts eines sozialversicherungspflichtigen Erziehungsgehalts als Einstieg in eine Wende hin zum Besseren.
Das Fazit von Schimmer-Göresz: Rein in den Widerstand, rein in die echten Alternativen. Wo die Gefahr wachse, wachse das Rettende auch. Uns biete sich eine ungeheure Chance für einen gründlichen Neubeginn. „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“ Dieser Spruch stammt von Gandhi. Und in der Tat. Statt auf die Politik zu warten, könnten wir sofort bei uns selbst anfangen und tragfähige Modelle der Zukunftsfähigkeit bauen. Auf die Frage in einem Radio-Interview, ob er daran glaube, dass sich die Menschen noch bewegen liessen, antwortete Niko Paech flapsig: „Ja, die sind noch immer geschwommen, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht.“ Gabi Schimmer-Göresz zum Schluss ihres die Zuhörer fesselnden rund einstündigen Vortrages, der hier nur in Auszügen widergegeben werden kann: "Ich schlage vor, dass wir nicht so lange warten und mir würde es für heute genügen, zu wissen, wie ich Sie überreden kann, den „Großen Wandel“ mit der ÖDP zu gestalten. Die alles entscheidende Frage ist: Was wollen wir sein? Sterbebegleiter einer alten oder Geburtshelfer und Liebhaber einer neuen Welt?"