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Pressemitteilung

Angela Müller bei der ÖDP im Steinbacher Hopfenhaus:

"Welche Agrarpolitik brauchen wir wirklich?"

ÖDP-Ortsvorsitzender Bernd Wimmer bedankt sich bei Referentin Angela Müller aus Franken für ihren Vortrag mit Gespräch vor den über 50 Gästen im voll besetzten Steinbacher Hopfenhaus

Dieser Frage stellte sich die Landwirtin und Agraringenieurin Angela Müller aus Rothenburg ob der Tauber den Zuhörern im voll besetzten Steinbacher Hopfenhaus. Auf Einladung des ÖDP-Ortsverbandes Mainburg beleuchtete sie kritisch die aktuellen Entwicklungen in der Landwirtschaftspolitik hierzulande und weltweit. Müller lieferte hierzu viele Antworten und Lösungsansätze, um die weltweite Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen und zu verbessern. Ihre Grundthese ist, dass die Agrarexporte der EU und die damit verbundenen Futtermittelimporte die Existenzen der Bäuerinnen und Bauern hier und weltweit zerstören. Trotz weltweitem Überfluss insgesamt gesehen führt die gegenwärtige Politik zu Armut, Abhängigkeit und Hunger in den Ländern des Südens. Diese Fakten untermauerte Sie kenntnisreich mit Daten und Grafiken.

Laut den Angaben im UN World Food Program hungern derzeit 800 Millionen Menschen weltweit. Die übergroße Mehrheit der Hungernden lebt in Entwicklungsländern, rund die Hälfte davon sind Kleinbauern. Gleichzeitig hat sich der Fleischkonsum des reicheren Teil der Weltbevölkerung vervielfacht. Die Referentin belegte mit ausführlichen Zahlen, dass der durschnittliche Konsum von Getreideeinheiten bei den 20% der Ärmsten 138 kg beträgt und bei den 20% Reichsten 659 kg. Das Hauptproblem ist, dass sich einige wenige große Konzerne, skandalöserweise von der herrschenden Politik gefördert, die Märkte aufteilen: 85% des Lebensmitteleinzelhandels werden in Deutschland von ganzen 5 Firmen, nämlich Aldi Süd, Aldi Nord, Rewe, Edeka und Schwarz beherrscht. Mit Monsanto, DuPontPioneer und Syngenta dominieren drei Konzerne den globalen Saatgutmarkt. Monsanto allein kontrolliert 90% des weltweiten Marktes für genveränderte Organismen (GVO). Diese Marktmachtkonzentration für Saatgut und Pestizide wird sich durch diverse EU-Verordnungen künftig weiter verfestigen. Eine Umkehr hin zu kleinteiligen Strukturen ist Angela Müller zufolge nicht in Sicht. Die sozialen Auswirkungen der EU-Politik sind fatal: kleine, bäuerliche Betriebe bekommen nur einen Teil der EU-Gelder. Wenige große Betriebe profitieren jedoch besonders: 53% der Betriebe erhalten 9% der Förderbeträge, aber 1% der größten Betriebe erhält 25% der Gelder. Somit profitiert die exportorientierte Nahrungsmittelindustrie besonders stark. Die Wirkung für die breite Bauernschaft ist, dass beklagenswerterweise seit 1992 die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe aufgeben musste.

An drei konkreten Beispielen erläuterte Müller, was diese politischen Maßnahmen der EU für die Länder des Südens konkret bedeuten. So ist die eigene Eiweißfuttermittelproduktion von der Politik nicht gewollt. Die Importabhängigkeit beträgt hier knapp 80%, wovon wieder die bereits genannten Konzerne profitieren. In Brasilien, wohin die Referentin in 2016 reiste, hat sich der Sojaanbau stark ausgeweitet. Durch die damit einhergehende Regenwaldabholzung wird der Klimawandel verstärkt und der Verlust der pflanzlichen und tierischen Artenvielfalt gefördert. Kleinbauern würden vertrieben. Soja aus Lateinamerika wird an Tiere, die allzu häufig in Massentierhaltung leben müssen, verfüttert und so der Fleischhunger der Europäer bedient - auf Kosten der Menschen des Südens. Ein weiteres Beispiel ist die Geflügelmast: hierzulande wird überwiegend das Hühnchenbrustfilet verzehrt. Die restlichen Hühnchenteile werden nach Afrika exportiert. Die Auswirkungen dort sind fatal: dieses importierte Billigfleisch verkleinert massiv die Absatzmärkte für afrikanische Kleinbauern. Ausserdem ist dies gesundheitlich gefährlich für die Menschen, weil durch die schlechte Kühlkette beim Transport die Vergiftung mit Salmonellen beim Verzehr des Geflügels an der Tagesordnung ist. Drittes Beispiel für die gängige Subventionspolitik und die Marktmachtkonzentration auf einige wenige Konzerne sind die Milchpulverexporte nach Westafrika: Magermilchpulver, Vollmilchpulver und qualitativ schlecht angereichertes Pulver werden massenhaft auf den lokalen Markt geworfen. Mit schlimmen Folgen: der Verkaufspreis in Burkina Faso für Milch liegt bei 70 Cent bis 1 Euro. Das Milchpulver aus der EU kostet dort hingegen nur 25 bis 35 Cent. Hierdurch werden wiederum die lokalen Kleinbauernmärkte systematisch kaputt gemacht.

Angela Müller faßte die von ihr fundiert geschilderte gegenwärtige Situation mit einem Zitat des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Hans Christoph Binswanger zusammen: "Freie Märkte führen nicht zu befreiten Bauern, sondern zur Befreiung ganzer Regionen von ihren Bauern." Damit kam Angela Müller, die mit ihrem Mann einen Bio-Hof in Franken bewirtschaftet, auf die Eingangsfrage zurück, nämlich welche Agrarpolitik wir wirklich bräuchten bei uns und weltweit. Notwendig ist eine agrarökologische Wende, die das bäuerliche Wissen wertschätzt. Konkret ging Müller auf einige landwirtschaftliche Massnahmen der Produktionssteigerungen mit einfachen Methoden und ohne Einsatz genveränderter Organismen ein. Seitens der Politik forderte sie eine Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft mit gerechten Subventionen, eine Ökologisierung der Landwirtschaft, eine starke Einschränkung von Gentechnik und Pestiziden, Saatgut für alle und eine faire Handelspolitik.

In der Diskussion im Steinbacher Hopfenhaus ging es zunächst darum, was der einzelne tun könnte. Man sollte, war man sich einig, regionale und saisonale Ware bevorzugen, möglichst in Bioqualität, und sich überwiegend von pflanzlichen Lebensmitteln ernähren, anstatt im Übermaß Fleisch zu essen. Angela Müller ging auf das Fairtradekonzept ein. Sie begrüßte ausdrücklich, dass es in Mainburg eine aktive Fairtradegruppe gibt. Ebenso setzte man sich sehr kritisch mit dem Totalherbizid Glyphosat des Gentechnikkonzerns Monsanto auseinander. Über die bevorstehende Entscheidung der EU zur weiteren Zulassung dieses von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (kurz IARC), einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuften Pestizids wurde ausführlich diskutiert.

Bernd Wimmer, Vorsitzender der ÖDP Mainburg, wies gegen Ende der Veranstaltung im Steinbacher Hopfenhaus daraufhin, dass die Politik keinesfalls ihre Gestaltungsmacht einseitig an die Konzerne mittels diverser sogenannter "Freihandelsabkommen" (CETA, TTIP, EPA, TiSA, usw.) abgeben dürfte, was im Bereich Landwirtschaft zu den von Angela Müller erläuterten schlimmen Folgen für Mensch und Umwelt führt. "Der ÖDP-Ortsverband versucht seit Jahren unter anderem mittels regionalen Bauernmärkten, Lebensmitteleinkaufsführern und die Etablierung der Fairtradestadt Mainburg im kleinen vernünftig zu wirken. Dass ein Umdenken und Umhandeln sowohl auf lokaler, wie auch auf globaler Ebene dringendst geboten ist, darin haben mich die Ausführungen von Angela Müller bestätigt und bestärkt", erklärte Wimmer. Er bedankte sich herzlich bei ihr für den hochinteressanten, faktenreichen, anschaulichen und offenen Vortrag. 

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